Predigt Johanna und Werner Zollitsch

Predigt von Dr. Johanna & Dr. Werner Zollitsch; Schöpfungsverantwortung

 

Ausgehend von der heutigen Lesung eines Textes, in dem die Schöpfung bejubelt wird, stellen wir 3 Thesen in den Mittelpunkt unserer Predigt .

 

1)   Wir gehen mit der Schöpfung nicht schöpfungsgerecht um.

2)   Schöpfungsverantwortung ist mit Fairness, Gerechtigkeit und Frieden untrennbar verbunden.

3)   Wir haben es in der Hand die Schöpfung zu bewahren.

 

 

These 1) Wir gehen mit der Schöpfung nicht schöpfungsgerecht um.

 

Schon im 1. Buch Mose (Genesis) wird festgestellt, dass die Schöpfung gut ist. Wiederholt betrachtet Gott seine Schöpfung und "sah, dass sie gut war". Das ist auch aus der Perspektive des Menschen so. Sie stellt uns bereit was wir brauchen, um physisch existieren zu können. Der Mensch ist Teil der Schöpfung, sie ist ihm von Gott aber zum Bebauen und Bewahren überantwortet (Genesis). Das "Bebauen" wird häufig auf die Funktion des Nützens, der Ressourcenbereitstellung reduziert, eine Position, die aus christlich-ethischer Sicht eigentlich nicht akzeptabel ist.

 

Der Mensch bebaut die Schöpfung insgesamt allzu intensiv! In der Diskussion um Nachhaltigkeit entstand Mitte der 1990er Jahre das Konzept des sogenannten Ökologischen Fußabdrucks. Dabei wird der Ressourcenbedarf in die Fläche umgerechnet, die wir für die Bereitstellung der Ressourcen benötigen und mit der Bevölkerzungszahl multipliziert. Daraus ergibt sich, dass wir 1,22 Schöpfungen bräuchten, um unsere dzt. Bedürfnisse zu befriedigen. Dabei muss noch bedacht werden, dass die Verteilung dieser Nutzungsansprüche von extremer Ungleichheit gekennzeichnet ist: Während ein Mitteleuropäer 5 ha Land benötigt, um seinen Ressourcenanspruch zu decken, sind es für Chinesen 2,2 ha und für Inder 0,9 ha (USA: 8 ha).

 

Unser Ressourcenhunger gefährdet auf mehreren Ebenen die Bewahrung der Schöpfung: fossile Energieträger, Mineralien und Metalle werden in zunehmender Intensität abgebaut, obwohl die Endlichkeit ihrer Vorkommen bekannt ist. Das wird allerdings v.a. als Faktor begriffen, der Preisveränderungen auf Rohstoffmärkten und Unruhe bei Anlegern auslöst. Nehmen wir als Beispiel den globalen Energieverbrauch: dieser wird bis 2030 voraussichtlich um nochmals die Hälfte des dzt. Verbrauchs steigen, bis 2050 auf das Doppelte.

 

Damit eng verbunden ist die Veränderung des Weltklimas. Diese kann dazu führen, dass hunderten Millionen oder gar einigen Milliarden Menschen die Lebensgrundlage entzogen wird. Politisch wurde deshalb bekanntlich das Ziel formuliert, die Erderwärmung auf 2°C gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Dadurch soll der Klimawandel nicht "gefährlich" werden, sondern "tolerierbar" bleiben, so die offizielle Sprachregelung. Von diesem 2°C-Ziel sind allerdings bereits 0,7°C – das ist die bereits aufgetretene Erwärmung – verbraucht.

 


 

These 2) Schöpfungsverantwortung ist mit Fairness, Gerechtigkeit und Frieden untrennbar verbunden.

 

Ein nachhaltiges Bebauen im Sinne der Bibel ist nicht nur Voraussetzung für die langfristige Bewahrung und Sicherung der Lebensgrundlagen, es ist auch eine Voraussetzung für Gerechtigkeit und Frieden zwischen und innerhalb von Gesellschaften. Die ungleiche Nutzung der Erträge, die aus dem Bebauen der Schöpfung resultieren, führen zu extremer Ungleichheit. Diese muss aus christlicher Sicht per se unerträglich sein.

 

Die Zunahme der Erdbevölkerung entfällt v.a. auf die Regionen Afrikas & Asiens, denen dzt. Ressourcen vorenthalten und entzogen werden. Die Ablösung der alten Kolonialmächte in Afrika durch asiatische Staaten (v.a. China) zeigt wie diesbezüglich die gegenwärtigen nationalen Strategien aussehen. Diese vermeintliche "Ressourcensicherung" wird zu Spannungen und Konflikten bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen. Wasser wird dabei noch in diesem Jahrhundert das Öl als knappe und besonders konfliktträchtige Ressource ablösen. Die strategische Planung von Unternehmen, Politik und Militär nimmt darauf weltweit bereits Bezug.

 

Die aktuelle Form des globalisierten Wirtschaftens führt aber nicht nur zu Ungleichgewichten zwischen Kontinenten und Nationen, sondern auch innerhalb von Regionen. Beispielsweise resultiert die Erzeugung von Getreide und Sojabohnen oder insbesondere von höherwertigen Produkten wie Shrimps in einem kometenhaften ökonomischen und gesellschaftlichen Aufstieg der Menschen, die die Erzeugung und Vermarktung kontrollieren. Gleichzeitig verarmen die bäuerlichen ErzeugerInnen und es werden ihnen ihre Landrechten entzogen.

 

In der Denkschrift der Evangelischen Kirche Deutschlands von 2007 mit dem Titel "Aus Gottes Frieden leben – für gerechten Frieden sorgen" heißt es zur Notwendigkeit des Abbaus von Not (Zitat): "..... Der Abbau von Not erfordert zweierlei: Zum einen setzt er die Bewahrung der für menschliches Leben nötigen, natürlichen Ressourcen voraus; zum anderen müssen Ungerechtigkeiten in der Verteilung materieller Güter und des Zugangs zu ihnen verringert werden. Wie der innere Friede in einer Gesellschaft ohne eine Politik des aktiven sozialen Ausgleichs gefährdet ist, so hängt auch der Weltfriede von der Korrektur sozio-ökonomischer Asymmetrien ab." (Ende des Zitats).

Das Wahrnehmen von Schöpfungsverantwortung ist also auch ein zentraler Beitrag zu aktiver Friedenspolitik im Inneren wie Äußeren.

 

These 3) Wir haben es in der Hand die Schöpfung zu bewahren.

 

Die Fragen der Zukunftsfähigkeit & Nachhaltigkeit bewegen viele Gruppen in unserer und in anderen Gesellschaften. Ein wesentliches Motiv dafür ist die Notwendikgeit an eine zukünftige Ressourcennutzung zu denken (Stichwort "Verantwortung für zukünftige Generationen"). Die Pflicht, die Schöpfung auch unabhängig von ihrem "Nutzwert" zu schützen, ist eine zentrale christliche Position, die von anderen Religionen und einigen Umweltbewegungen geteilt wird.

 

Die kenianische Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai gibt in ihrem Buch "Die Wunden der Schöpfung heilen" eine Handlungsanleitung für die moderne Menschheit. Sie bezieht sich dabei auf Traditionen einer christlichen Ethik, vermengt mit Positionen von Naturreligionen. Demzufolge muss der Mensch die physische Verbindung mit der Schöpfung ("der Erde"), die er verloren hat, wiedergewinnen. Dazu gehören Liebe zur Mitwelt, Dankbarkeit & Respekt, sowie die Besinnung auf die dienende Rolle, die dem Menschen zukommt.

 

Im Konkreten ergeben sich unserer Meinung nach aus allen diesen Überlegungen zwei Ansätze für das konkrete Übernehmen von Schöpfungsverantwortung:

 

a)   Beiträge zur Beeinflussung von gesellschaftlichen Prozessen:
Möglichkeiten dazu bieten sich auf vielen Ebenen, von der Gemeinde bis zur internationalen Politik. Das kann die Unterstützung von Umwelt-Initiativen sein, die Einflussnahme im beruflichen Umfeld bis zum überregionalen Engagement. Die Erfahrungen der Anti-Atom-Bewegung zeigen, dass es einige Jahrzehnte dauern kann und einige beinahe oder tatsächlich eingetretene Katastrophen braucht, bis Änderungen sichtbar werden. Durch Beharrlichkeit und das Engagement Vieler sind gesellschaftliche Positionen aber veränderbar.

b)   Überdenken des eigenen Konsumverhaltens:
In unserer Gesellschaft besitzen Konsumentinnen & Konsumenten tatsächliche Macht. Nicht nur als fragendes und forderndes Individuum, v.a. auch als Gruppe. Wir entscheiden durch unser Konsumverhalten tagtäglich mit, wo welche & wieviele Ressourcen verbraucht werden. Als Akteure müssen wir uns im Sinne der Verantwortung für die Schöpfung selbstkritisch einige Fragen stellen:

- Müssen wir unbedingt große Mengen an Lebensmitteln konsumieren, die in ihrer Erzeugung einen sehr hohen Ressourcenverbrauch haben (Stichwort hoher Fleischverbrauch der Industrienationen)?

- Müssen wir zur Deckung unserer Mobilitätsbedürfnisse unbedingt Fahrzeuge betreiben, die ein Vielfaches an Energie verbrauchen und CO2 ausstoßen wie umweltfreundlichere Fahrzeuge (Stichwort SUV, Flugverkehr)?

- Müssen wir Geschenke wie z.B. Schnittblumen kaufen, die in Ostafrika unter ökologisch & sozial äußerst bedenklichen Bedingungen erzeugt und per Flugzeug nach Europa transportiert werden, um nach wenigen Tagen im Müll zu landen?

 

Diese Fragenliste ließe sich lange fortsetzen. Eine Besinnung auf die traditionell christlichen Werte einer gewissen Bescheidenheit und Beschränkung der eigenen Ansprüche würde uns helfen im persönlichen Alltag unsere Verantwortung gegenüber der Schöpfung wahrzunehmen.

 

Diese Übernahme von Verantwortung auf allen Ebenen – vom persönlichen Alltag bis hin zum Versuch der Beeinflussung der großen strukturellen Entscheidungen unserer Gesellschaft – ist eine Notwendigkeit. Dies nicht nur im Sinne der Erhaltung der Lebensgrundlagen für zukünftige Generationen, sondern auch im Sinne des biblischen Gebots des Bebauens und Bewahrens. Ein bequemes Zurücklehnen und Zuschauen ist in der heutigen Zeit jedenfalls keine akzeptable Position.

Amen.

 
Zuletzt bearbeitet am: 24.09.12, 11:36