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Titel: Jugend-Experte ist überzeugt: "Glaube ist Konfirmanden wichtiger als Geschenke"
Autor: MB
Quelle: www.sonntagsblatt.de vom 21.4.2024

Die Arbeit mit Konfirmand*innen ist nach wie vor ein Erfolgsmodell, findet Wolfgang Ilg, Professor für Jugendarbeit und Gemeindepädagogik. Nach wie vor sei sie das Angebot der Evangelischen Kirche mit der größten Reichweite.

Seitenweises Auswendiglernen und Frontalunterricht - so etwas gibt es heute in kaum einer Kirchengemeinde mehr, sagt Wolfgang Ilg, Professor für Jugendarbeit und Gemeindepädagogik an der Evangelischen Hochschule in Ludwigsburg. Die Konfirmanden-Arbeit habe sich gewandelt. Im Gespräch mit dem Sonntagsblatt erklärt er außerdem, warum Gespräche beim Pizzaessen für Jugendliche ansprechender sein können als ein Gottesdienstbesuch – und wie die Situation in anderen Ländern aussieht.

Herr Professor Ilg, an den kommenden Sonntagen lassen sich bundesweit wieder in vielen evangelischen Kirchengemeinden Jugendliche konfirmieren. Sie sind Konfirmationsexperte, verantworten verschiedene Studien zur Konfirmandenarbeit deutschlandweit und europaweit. Was sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Trends?

Wolfgang Ilg: Die Konfirmanden-Arbeit ist nach wie vor ein Erfolgsmodell, zeigt unsere 3. Konfi-Studie, die im Sommer veröffentlicht wird. Durchschnittlich besuchen in Deutschland 80 Prozent der evangelischen Jugendlichen, also vier von fünf, typischerweise ein Jahr das pädagogische Angebot der Konfi-Arbeit und lassen sich dann am Ende auch tatsächlich konfirmieren. So eine Reichweite hat die Kirche eigentlich in keinem anderen Bereich.

Wie erklären Sie sich das? Warum ist die Konfi-Zeit nach wie vor doch sehr attraktiv für evangelische Jugendliche?

Die Arbeit hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Lange war es eher eine Art Unterricht am Mittwochnachmittag, der stark mit Auswendiglernen verbunden war. Jetzt geht die Konfi-Arbeit mehr von den Bedürfnissen und Fragen der Jugendlichen aus, die stehen im Vordergrund.

Da gehört auch stark dazu, dass die Arbeitsformen sich geändert haben und man viel von der Jugendarbeit gelernt hat. Ganz zentral sind immer die Konfi-Camps und Konfi-Freizeiten, bei denen man intensive Zeit miteinander verbringt.

Kann es auch sein, dass für viele immer noch Taufe und Konfirmation zum Evangelischsein dazugehört?

Ja. Interessant ist, dass die befragten Jugendlichen zwar durchaus angeben, dass sie das machen, weil es eine Familientradition ist oder sie sich auch auf das Geld und die Geschenke freuen, die mit der Konfirmation verknüpft sind. Aber diese Motive sind weniger stark als der Wunsch, sich tatsächlich mit Fragen des Glaubens auseinandersetzen und wissen zu wollen, was dieser christliche Glaube bedeutet, in den sie ja als Kind typischerweise hineingetauft wurden.

Was ist mit dem einen Fünftel der Evangelischen, das sich nicht konfirmieren lässt? Was sind da die Gründe?

Über die sogenannten "Nonfirmanden" wurde noch kaum geforscht. Ein Grund ist sicher, dass in einer Zeit, in der Entscheidungen zunehmend individuell getroffen werden, es auch erwartbar ist, dass weniger an einem Konfirmationsangebot teilnehmen. Der Anteil ist zwar gering, stieg in den letzten Jahren aber allmählich an.

Wolfgang Ilg, Professor für Jugendarbeit und Gemeindepädagogik an der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg, ist Experte zu Fragen rund um die Konfirmation.
Lassen sich auch junge Menschen konfirmieren, die zuhause nicht oder nur wenig religiös aufgewachsen sind?

Seit vielen Jahren gibt es bereits das Phänomen, dass ungefähr sechs Prozent eines Konfi-Jahrganges zu Beginn nicht getauft sind, zumeist kommen die aus wenig religiösen Elternhäusern. Bei dieser Gruppe steht noch viel stärker als bei den anderen im Vordergrund, dass sie in dieser Zeit etwas über den Glauben an Gott erfahren wollen. Und interessanterweise wollen gerade diese Jugendlichen nach der Konfi-Zeit stärker als die anderen mit der Kirche verbunden bleiben und sich dort engagieren, wie unsere Studien ergaben.

In den Landeskirchen gibt es keinen anderen Ort außerhalb der Kindertaufe, wo in so großen Zahlen Menschen getauft werden. Die Konfirmation ist deshalb auch ein großes offenes Tor zu Glauben und Kirche.

Zeigt Ihre Studie auch, welche Angebote oder Formate Jugendliche im Konfirmationsalter besonders ansprechen?

Es geht nicht so sehr um Formate, sondern um die Haltung bei den Zuständigen. Und da braucht es zwei Dinge: Erstens muss es den Jugendlichen Spaß machen. Und zweitens müssen sich die Jugendlichen ernst genommen fühlen. In der Konfi-Zeit erleben viele Jugendliche tatsächlich, dass ihre Fragen eine Rolle spielen - ihre Glaubensfragen, aber auch Grundfragen des Lebens, wie: Was bin ich eigentlich wert?

Natürlich gibt es passende und weniger passende Formate in der Kirche für junge Menschen. In vielen Gemeinden müssen die Jugendlichen nach wie vor regelmäßig den Gottesdienst besuchen, aber es ist oft so, dass sie dort nicht wirklich etwas für sich mitnehmen - 30 bis 40 Prozent finden Gottesdienste langweilig. Deshalb sollte man ernster nehmen, was es auch unter der Woche an kirchlichen Jugendangeboten gibt und andere jugendgerechte Formate stärken.

Und dann kommt die Konfirmation - was kann man machen, damit die Konfirmierten weiterhin im Kontakt mit der Kirche bleiben?

Ein Vorschlag wäre: Ladet doch mal die Konfirmierten fünf Jahre nach dem Fest zum Pizzaessen ein und kommt einfach in Austausch über das, was ihnen in den letzten Jahren begegnet ist, wo der Glaube eine Rolle gespielt hat oder auch erschüttert worden ist. Die Jugendlichen würden dann spüren: Die Kirche ist an uns und unseren Ideen interessiert.

Ich nenne das salopp die "goldige Konfirmation". Die Goldene Konfirmation nach 50 Jahren ist überall eingeführt, aber es wäre auch Gold wert, mal die 19-Jährigen einzuladen.

Als Professor an der Evangelischen Hochschule in Ludwigsburg koordinieren Sie gemeinsam mit Ihrem Kollegen Henrik Simojoki von der Humboldt-Universität in Berlin ein europäisches Forschungsprojekt zur Konfi-Arbeit. Ist die Situation in anderen europäischen Ländern vergleichbar mit Deutschland?

Es gibt tatsächlich verblüffende Ähnlichkeiten in den Ländern, die wir untersucht haben, wie zum Beispiel die sehr hohe Konfirmationsquote - auch wenn in fast allen Ländern ein rückläufiger Trend zu erkennen ist, so wie in Deutschland. Eine zunehmende Distanz zur Kirche zeigt sich also auch in anderen Ländern.

Es gibt auch bestimmte lokale Unterschiede: So sind Polen und Österreich in unserer Forschungsgruppe mit dabei - beides sehr stark katholisch dominierte Länder. Hier hat die Konfirmation noch einmal einen völlig anderen Stellenwert, da sie in einer Minderheitensituation stark zur evangelischen Identität beiträgt.

Interessant ist auch, dass in unserer internationalen Studie zum Konfi-Jahrgang 2021/22 in Skandinavien die Jungen eine stärkere Nähe zu Glauben und Kirche haben als die Mädchen. Das ist ein bisher ganz atypisches Muster, weil in allen anderen Ländern die Mädchen diejenigen sind, die besser mit kirchlichen Themen und Angeboten erreicht werden. Hier scheint sich zumindest in Skandinavien ein Trend ein stückweit umzukehren - vielleicht ist es auch ein Hinweis darauf, dass sich da allgemein etwas ändert und die eher vernachlässigte Gruppe der Jungen und der Männer in der Kirche vielleicht doch stärker erreicht wird.

Verfasst am: 22.04.24, 11:12
Titel: Bischof Chalupka traf Nationalratspräsident Sobotka
Autor: MB
Quelle: www.kathpress.at vom 19.4.2024

Kampf gegen Antisemitismus, Geschichte des Protestantismus in Österreich und "schmerzende Wunde des Karfreitags" Themen der Unterredung

Der gemeinsame Einsatz gegen jegliche Form des Antisemitismus war Inhalt eines Zusammentreffens von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) und dem evangelisch-lutherischen Bischof Michael Chalupka. In einer Zeit, in der sich antisemitische Vorfälle häuften, sei es Aufgabe der Kirchen ebenso wie der Politik, sich dem Antisemitismus mit aller Kraft entgegenzustellen, so der Tenor des Gesprächs, das laut evangelischem Pressedienst epdÖ am Donnerstag im evangelischen Kirchenamt in Wien stattgefunden hat.

Ein weiteres Thema war demnach auch die Geschichte des Protestantismus in Österreich, ausgehend von der Zeit der Verfolgung evangelischer Christen und Christinnen im Zuge der Gegenreformation über den Geheimprotestantismus bis hin zur schuldbehafteten Rolle der evangelischen Kirche im Nationalsozialismus. Dabei sei es auch zu Überlegungen gekommen, wie die Geschichte des Protestantismus in der Gedenkkultur der Republik Österreich stärker verankert und besser sichtbar werden kann.

Für die, so Chalupka, "noch immer schmerzende Wunde des Karfreitags" zeigte der Nationalratspräsident laut epdÖ Verständnis. Mit der Streichung des Karfreitags als gesetzlicher Feiertag - er war in den 1950er-Jahren als Zeichen der späten Anerkennung eingerichtet worden - sei eine Lücke in der Erinnerungskultur der Republik Österreich entstanden, die noch immer darauf warte, gefüllt zu werden, erinnerte der lutherische Bischof.

Verfasst am: 22.04.24, 11:08